Gehorsam

Ein junger Mönch war ausersehen, in Paris Prediger zu werden. Es war im achtzehnten Jahrhundert.
Doch sagte ihm der Obere, damit er wegen seiner Jugend keine dummen Streiche mache, solle er ihm seine Predigten immer zuerst geschrieben vorlegen, namentliche die erste. Der junge Prediger bot nun seine ganze rednerische Begabung auf, um ein Meisterstück von einer Eintrittspredigt zu machen; alle schönen Redewendungen, die Eindruck machen mussten, hatte er zu Papier gebracht.
Aber da kam der Obere mit dem Rotstift und die schönsten Stellen wurden gestrichen; er verdarb ihm die Predigt und so musste er sie halten.
Der Ordensmann gehorchte. Ganz Paris war enttäuscht über diese Predigt; man hätte denn doch etwas Besseres erwartet.
Am nächsten Tag aber klopfte an der Klosterpforte ein vornehmer Herr und begehrte den Prediger zu sprechen, der gestern seine Sache so gut gemacht hatte.
Der Prediger kam, und nun stellte sich der Fremde als den bayerischen Gesandten H. Senf vor und erklärte, die gestrige Predigt habe ihn so gerührt, dass er vom Protestantismus zur katholischen Kirche zurückkehren wolle, was er dann später in Innsbruck auch ausführte. Da sehen wir den Segen des Gehorsams. Hätte er seine ursprüngliche Predigt gehalten, so hätte ihm wohl ganz Paris zugejubelt, aber Bekehrung wäre schwerlich eine erfolgt.

Q: Ill. Hausbuch v. P. Franz Tischler Impr. 1908