Maiandacht – 17. Tag

Vorbereitungsgebet und Aufopferungsgebet

Von der Tugend der Geduld

  1.  „Wer in seinen Reden nicht anstößt, der ist ein vollkommener Mann,“ schreibt der heilige Apostel Jakobus. Ohne Bezähmung der Zunge gibt es gar keine Vollkommenheit und keine wahre Frömmigkeit. Maria, das Muster aller Tugenden, wusste dies wohl, darum bezähmte sie auch so sehr ihre Zunge. Schon als Kind von drei Jahren suchte sie sich im Umgange mit Menschen ihren einsamen Aufenthalt im Tempel zu entziehen, wo sie in ihrer Zelle oder im Tempel selbst sich nur mit Gott unterhielt. Vor ihren Mund hatte sie eine Wache gesetzt, die Gegenwart Gottes. Öffnete sie ihren Mund, so geschah es nur, um von Gott und göttlichen Dingen zu reden, und auch hier beobachtete sie die größte Bescheidenheit und Demut. Musste sie von zeitlichen Dingen reden, so gebrauchte sie wenige treffende Worte, während ihr Herz bei Gott war. So wurde Maria ein Muster des Stillschweigens für alle, die mit ihr im Tempelgebäude wohnten, und rings um sie herrschte der tiefste Friede.

  2. Als sie in das öffentliche Lebe hinaustrat und zu Nazareth in ihrem armen Häuslein wohnte, nahm sie diese Tugend mit sich. Einsam weilte sie in ihrem Kämmerlein. Der Erzengel Gabriel trifft sie nicht auf der Straße, nicht auf Besuch bei andern in eitlem Geschwätz begriffen, sondern zuhause im Gebete. Bis in ihr hohes Alter übte sie die Tugend des Stillschweigens oder das Schweigen. Wenig kommt von ihr vor in der heiligen Schrift, ein Zeichen, dass sie wenig sprach. Was sie hörte und sah, bewahrte sie in ihrem Herzen. Am liebsten redete sie mit Gott im Gebete und in der Betrachtung und mied die Menschen, besonders jene, die gern und viel redeten, denn sie wusste, dass, wer viel mit den Menschen redet, wenig mit Gott reden kann.
    Und wie viele Sünden werden außerdem durch Reden begangen, wie viele Ehrabschneidungen, Verleumdungen! Wie viele Sünden durch Lügen, durch ärgerliche, unkeusche, gotteslästerliche und lieblose Reden, durch Tadeln, Klatschsucht und Ohrenbläserei!
    Wie wirst du bestehen vor deinem Richter, wenn du schon von jedem müßigen Worte Rechenschaft ablegen sollst! Bezähme also deine Zunge und töte dich auch, so viel deine Verhältnisse es gestatten, in erlaubten Reden ab. Liebe das Stillschweigen, wo nicht die Ehre Gottes, das Heil der Seele, die Pflicht der Nächstenliebe und Anstand und Höflichkeit zu reden fordern: du wirst desto gesammelter in deinem Innern bleiben.
    Das Stillschweigen ist die Mutter heiliger Gedanken. Nur in einsamer Stille redet Gott zu deinem Herzen und teilt dir seine Liebkosungen und Tröstungen mit.

Lasset und beten 3 Ave Maria, um durch Maria die Tugend des Stillschweigens zu erhalten.

Gegrüßet seist du Maria …

Bei Privatandachten kann auch nach den Worten „Jesus“ jedes Mal hinzugesetzt werden:

„Der uns die Tugend des gottgefälligen Stillschweigens schenken wolle.“

Gebet

O Maria, meine liebe Mutter, lehre mich doch, meine Zunge zu bezähmen und stillzuschweigen, wo nicht die Ehre Gottes, das Heil der Seele und die Pflicht der Nächstenliebe fordern, zu reden, damit ich die Ruhe der Seele, den Frieden mit meinem Mitmenschen, die Andacht im Gebete, den Fortschritt in der Frömmigkeit, die Gnade Gottes und die Seligkeit nicht verliere. Amen.