Maiandacht – 11. Tag

Vorbereitungs- und Aufopferungsgebet

Von den beiden Wegen

  1. „Gehet ein durch die enge Pforte, denn weit ist das Tor und breit der Weg, der zum Verderben führt, und viele sind es, die da hindurch gehen,“ so spricht Jesus, der Mund der Wahrheit, zu dir, meine Seele. Es gibt also zwei Wege, welche die Menschen auf dieser Welt wandeln: der eine davon führt zum ewigen Untergange, der andere zum ewigen Leben. Frage dich nun, welchen Weg bist du bisher gegangen, den breiten, der zum Untergange führt, oder den engen, der zum Leben führt? Du wirst dir vielleicht gestehen müssen, dass du bisher den breiten Weg des Verderbens gewandelt bist. Willst du diesen Weg fortsetzen? Besinne dich! Du musst dich entscheiden. Nicht allen Menschen ist eine gleiche Länge Weges beschieden: die einen, welche den breiten Weg wandeln, gelangen früher, die andern später, alle aber sicher zum Ziele des ewigen Verderbens. Gerade da, wo sie es am wenigsten vermuten, stellt sich ihnen der Tod entgegen und der Abgrund öffnet sich plötzlich unter ihren Füßen. Könnte es dir nicht auch so begegnen?

  2. Welchen Weg willst du fortan wandeln, welcher Einladung folgen? Es treten dir gleichsam zwei Gestalten entgegen, die dich einladen. Die eine, geschmückt mit kostbaren Kleidern, einen Blumenkranz auf dem Haupte, hält mit der einen Hand einen goldenen Becher, sie blickt dich lachend und fröhlich an, sie reicht dir den Becher zum Tranke, sie ladet dich ein, ihr zu folgen. Wohin? Zu Spiel und Tanz, zu Freude und Lust, zu Ehre und Reichtum, zu Glanz und Herrlichkeit. Der Weg, den sie dir zeigt und den du mit ihr wandeln sollst, ist breit, mit Blumen bestreut, bequem und leicht zu gehen. Eine zahllose Schar, die aus dem Becher getrunken, Menschen jeden Alters, Geschlechtes und Standes, wandeln lachend und scheinbar glücklich diesen Weg sorglos dahin.
    Die andere, eine Jungfrau von hoher, schöner, ernster Gestalt, einfach gekleidet, mit einer Dornenkrone in der Hand, naht sich dir mit züchtigem, demütigem Antlitz, sanft und ernst blickt sie dich an, sie reicht dir die Dornenkrone und ladet dich ebenfalls ein. Wohin? Auf einen schmalen Weg, mit Dornen bestreut, der bergauf führt und den nur wenige, jeder mit einem Kreuze beladen, mühsam wandeln. Ihnen voran geht einer mit Dornen gekrönt, mit blutenden Füßen, mit einem großen Kreuze auf der Schulter: oft schaut er auf das kleine Häuflein, das ihm nachfolgt, und spricht ihm Trost und Mut zu. Auf diesen schmalen Weg, auf dieses kleine Häuflein deutet die Jungfrau und ladet dich ein zur Nachfolge.
    Willst du nun wissen, wer diese beiden Gestalten sind, welcher der Weg ist, den sie dir zeigen, und wohin sie dich führen? Die erste Gestalt ist die Welt mit ihren vergänglichen, eitlen Freuden und  Gütern: bequem und voll Lust ist der Weg, den sie dir zeigt, die meisten Menschen wandeln ihn, aber welches ist das Ende, das Ziel dieses Weges? Frage die Welt! Sie wird dir nicht antworten, denn das Ende dieses Weges ist der Tod, ein schreckliches Gericht, der ewige Untergang. Ach, die Welt kann ihre Diener nur belohnen bis zum Tode, da hört ihre Macht, da hören ihre Segnungen auf, da hat sie keinen Trost mehr für dich, nichts als die schwarze Grube, der Sarg und das Totenkleid. Sie schafft deine Leiche möglichst bald fort, damit sie nicht die Luft verpeste. O du Tor, wie wirst du betrogen von der armen Welt schon im Leben. Ihre goldenen Versprechungen trügen und platzen im Angesichte des Todes wie eine Seifenblase, in nichts zerfliegend.
    Die zweite Gestalt ist Maria, die schmerzhafte Mutter Jesu: ihr Weg ist der Weg des Kreuzes, der Abtötung und der Buße, der Flucht aller sündigen Freuden. Schmal und beschwerlich ist der Weg, doch siehe, Jesus selbst geht voran. „Mein Joch ist süß,“ spricht er, und gibt Stärke, wer diesen Weg wandelt, erhält Frieden für jetzt, Seligkeit für drüben. Maria, die Mutter des Herrn, alle Heiligen sind diesen Weg gewandelt, und sie haben es nicht bereut, ihn gegangen zu sein. Nun entscheide dich, meine Seele, was willst du tun? Einen von diesen beiden Wegen musst du notwendig wandeln. Es gibt da keinen Mittelweg. Besinne dich nicht lange, es vergeht die Zeit, die Ewigkeit nicht. Jesus spricht: „Siehe, ich komme bald und die Vergeltung mit mir.“ Also auf, folge Jesu, folge Maria, sage ab der Sünde, der Welt und ihrer Eitelkeit! Jesus ruft, Maria ladet ein: folgst du jetzt nicht, vielleicht rufen sie zum zweiten Male nicht wieder …

Lasset und beten 3 Ave Maria, dass wir mit Maria auf den schmalen Wege des Kreuzes Jesu nachfolgen mögen zum Himmel.

Gegrüßet seist du Maria …

Bei Privatandachten kann auch nach den Worten „Jesus“ jedes Mal hinzugesetzt werden:

„Der uns auf den schmalen Weg führen wolle.“

Gebet

O Maria, liebreichste Mutter, siehe, es ist beschlossen, ich folge deinem und deines Sohnes Rufe. Gib her den Dornenkranz, reiche mir das Kreuz deines Sohnes! Ich widersage und entsage von nun an der Welt, dem Fleische und dem Satan und weihe mein ganzes Leben dem Dienste deines Jesus. O reiche mir nur deine Hand, führe, leite, tröste, stärke du mich schwachen Menschen, damit ich glücklich zum Ziele gelange und eingehe in das Reich der ewigen Herrlichkeit, wo du an der Seite deines Sohnes thronst und herrschest in Ewigkeit. Amen.

An diesem oder dem folgenden Tage wäre es gut, wenn du eine Jahresbeichte, oder wenn du noch keine Generalbeichte abgelegt hast, eine solche verrichten würdest, um dich dann nach der Anleitung der folgenden Betrachtungen einem wahrhaft christlichen, frommen Leben hingeben zu können. Ziehe deinen Beichtvater hierüber zu Rate.