Es brauchte ein Kind Wir waren die einzige Familie mit Kindern in dem Restaurant. Ich setzte Erik in einen Hochstuhl und bemerkte, dass alle still aßen oder sich nur leise unterhielten. Plötzlich quietschte Erik fröhlich und rief: “Huhu.” Er hämmerte mit seinen dicken Babyfäusten auf die Ablage des Hochstuhls. Seine Augen waren weit aufgerissen vor Begeisterung und sein Mund verzog sich zu einem zahnlosen Grinsen. Dann wackelte und kicherte er voller Fröhlichkeit. Ich schaute mich um und entdeckte die Ursache seines Entzückens. Es war ein Mann in einem ramponierten Lumpen von Mantel, schmutzig, schmierig und verschlissen. Seine Hosen waren ausgebeult und der Reißverschluss stand halb offen und seine Zehen lugten aus etwas hervor, was wohl Schuhe sein sollten. Sein Hemd war schmutzig und sein Haar ungewaschen und ungekämmt. Seine Stoppeln waren zu kurz um sie als Bart bezeichnen zu können und seine Nase war so von roten Adern durchzogen, dass sie aussah wie eine Straßenkarte. Wir waren zu weit von ihm entfernt um etwas zu riechen, doch ich war sicher, dass er stank. Seine Hände winkten und er rief Erik zu: “Hallo Baby, hallo großer Junge. Ich kann dich sehen, Bursche.” Mein Mann und ich schauten uns an. “Was machen wir jetzt?” Erik lachte weiter und antwortete: „Hallo, hallo, huhu.“ Jeder im Restaurant war inzwischen aufmerksam geworden und schaute zuerst uns an und dann den Mann. Der alte Kauz sorgte zusammen mit meinem wunderbaren Baby für eine gewaltige Störung. Unser Essen kam und der Mann begann, durch den Raum zu rufen: “Kennst du Backe, backe, Kuchen? Kuckuck, hier bin ich. Hey, er kennt den Kuckuck. Wie niedlich.” Niemand fand den alten Mann niedlich. Er war offensichtlich betrunken. Mein Mann und ich waren verlegen. Wir aßen still vor uns hin – alle, außer Erik, der für den bewundernden Penner sein ganzes Repertoire abspulte, welcher sich im Gegenzug durch seine niedlichen Kommentare erkenntlich zeigte. Endlich hatten wir unsere Mahlzeit beendet und eilten in Richtung Ausgang. Mein Mann ging die Rechnung bezahlen und sagte mir, wir würden uns auf dem Parkplatz treffen. Der alte Mann saß nun genau zwischen mir und der Ausgangstür. „Herr, lass’ mich nur heil hier herauskommen, bevor er mich oder Erik anspricht“, betete ich. Als ich dem Mann näherkam, drehte ich ihm den Rücken halb zu, um an ihm vorbei zu kommen ohne den Gestank riechen zu müssen, der von ihm ausgehen mochte. Währenddessen lehnte Erik sich über meinen Arm und streckte ihm beide Ärmchen entgegen, ganz in der Position, wie Babys hochgenommen werden möchten. Bevor ich es verhindern konnte, hatte Erik sich von meinem Arm in die Arme des Mannes fallen lassen. Plötzlich vollzogen ein sehr alter, übel riechender Mann und ein sehr junges Baby ihre Liebesbeziehung. Erik legte in einem Akt totalen Vertrauens sowie vollkommener Liebe und Hingabe seinen kleinen Kopf an die zerlumpte Schulter des Mannes. Die Augen des Mannes schlossen sich und ich sah, wie Tränen unter seinen Wimpern hervorkamen. Seine von Schmutz, Schmerz und harter Arbeit gealterten Hände wiegten – behutsam, so behutsam – den Popo meines Babys und streichelten seinen Rücken. Keine zwei Geschöpfe haben sich jemals für eine so kurze Zeit so sehr geliebt. Von Ehrfurcht ergriffen stand ich da. Der alte Mann schaukelte und wiegte Erik für einen Augenblick in seinen Armen. Dann öffneten sich seine Augen wieder und schauten direkt in die meinen. Er sagte mit fester, gebieterischer Stimme: „Passen Sie gut auf dieses Baby auf.“ Irgendwie schaffte ich es, ein “Das werde ich” an dem Kloß in meiner Kehle vorbei zu quetschen. Er stemmte Erik von seiner Brust – unfreiwillig, sehnsüchtig, als würde er Schmerz empfinden. Ich nahm mein Baby in Empfang und der Mann sagte: „Gott segne Sie, junge Frau. Sie haben mir mein Weihnachtsgeschenk gegeben.“ Ich konnte nicht mehr als ein paar Worte des Dankes murmeln. Mit Erik in meinen Armen rannte ich zum Auto. Mein Mann wunderte sich, warum ich weinte und Erik so eng umschlungen hielt und warum ich sagte: „Mein Gott, mein Gott, vergib’ mir.“ Ich war gerade Zeuge der Liebe Christi geworden, gezeigt durch die Unschuld eines kleinen Kindes, das keine Sünde sah und kein Urteil fällte – ein Kind, das eine Seele sah und eine Mutter, die eine Garnitur Kleidung sah. Ich war eine blinde Christin und hielt ein Kind in meinen Armen, das nicht blind war. Ich fühlte, dass es Gott war, der mich fragte: „Bist du bereit, deinen Sohn für einen Augenblick zu teilen?” – wo er doch den seinen für alle Ewigkeit mit uns geteilt hat. Der zerlumpte alte Mann hatte mich unwissentlich daran erinnert, dass wir, um in das Königreich Gottes einzutreten, wie kleine Kinder werden müssen. -Autor unbekannt | |