13. November

Wenn die Liebe zu Gott in einem Menschen tiefe Wurzeln gefasst hat, vermag dieser auch den zu lieben, der es nicht verdient, wie es eben Gott uns gegenüber tut. Der Vater und die Mutter lieben ihre Kinder  nicht nur, wenn sie es verdienen: sie lieben sie immer, auch wenn sie es ihnen natürlich zu verstehen geben, wenn sie einen Fehler begehen. Von Gott lernen wir, immer und allein das Gute zu wollen und nie das Böse. Wir lernen, auf den anderen nicht nur mit unseren Augen zu schauen, sondern mit dem Blick Gottes, dem Blick Jesu Christi.

Ein Blick, der vom Herzen ausgeht und nicht an der Oberfläche stehenbleibt, er geht über den Schein hinaus und ist fähig, die tiefsten Erwartungen des anderen zu erfassen: die Erwartung, gehört zu werden, die Erwartung einer ungeschuldeten Aufmerksamkeit; mit einem Wort: die Erwartung der Liebe. Doch es vollzieht sich auch der umgekehrte Weg: indem ich mich auf den anderen hin öffne, so wie er ist, ihm entgegengehe und zur Verfügung stehe, öffne ich mich auch dafür, Gott zu erkennen, zu spüren, dass er da ist und dass er gut ist. Gottesliebe und Nächstenliebe sind untrennbar miteinander verbunden und stehen in einer gegenseitigen Beziehung. Jesus hat weder die eine noch die andere erfunden, sondern er hat offenbart, dass sie im Grunde ein einziges Gebot sind, und er hat dies nicht allein mit dem Wort getan, sondern vor allem mit seinem Zeugnis: die Person Jesu selbst und sein ganzes Geheimnis verkörpern die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe, wie die beiden Balken des Kreuzes, vertikal und horizontal. In der Eucharistie schenkt er uns diese zweifache Liebe, indem er uns sich selbst schenkt, damit wir, genährt von diesem Brot, einander lieben, wie er uns geliebt hat.

Papst Benedikt XVI. am 4. November 2012

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