Meine Seele preise dich, Herr und Gott. Mein Schöpfer, meine Seele preise dich, und aus meinem innersten Kern sollen dich bekennen deine Hulderweise, mit denen deine unfassbare Güte mich umgeben hat. Wie und wo immer ich kann, sage ich deiner unermesslichen Barmherzigkeit Dank, Ich lobe und verherrliche deine Langmut und deine Geduld. Du hast darüber hinweggesehen, dass ich meine Jahre als Kind und junges Mädchen, als heranwachsende junge Frau fast bis zum Ende meines fünfundzwanzigsten Lebensjahres in blinder Torheit durchlief und, wie es mir jetzt scheint, ohne Gewissensbisse in Gedanken, Worten und Werken alles tat, was mir passte und was mir möglich war. Du tratest nicht dazwischen, nicht durch den natürlichen Abscheu vor dem Bösen oder die Liebe zum Guten, die angeboren sind, noch durch Mahnungen der Mitmenschen von außen. So lebte ich, als wäre ich eine Heidin unter Heiden und hätte nie erkannt, dass du, mein Gott, das Gute belohnst und das Böse bestrafst.
(Auszug aus der Lesung der Lesehore am Gedenktag der hl. Gertrud von Helfta)