06. Mai

Heute möchte ich bei der letzten Episode aus dem Leben des hl. Petrus verweilen, von der in der Apostelgeschichte berichtet wird: seine Gefangennahme auf Anordnung von Herodes Agrippa und seine Befreiung durch das wunderbare Eingreifen des Engels des Herrn in der Nacht vor seinem Prozess in Jerusalem (vgl. Apg 12,1– 17).

Wieder einmal ist der Bericht vom Gebet der Kirche geprägt. Denn der hl. Lukas schreibt: »Petrus wurde also im Gefängnis bewacht. Die Gemeinde aber betete inständig für ihn zu Gott« (Apg 12,5). Und nachdem er das Gefängnis auf wunderbare Weise verlassen hat, heißt es anlässlich seines Besuchs im Haus der Maria, der Mutter des Johannes mit dem Beinamen Markus, dass »nicht wenige versammelt waren und beteten« (Apg 12,12). Zwischen diesen beiden wichtigen Hinweisen, die die Haltung der christlichen Gemeinde angesichts von Gefahr und Verfolgung beschreiben, wird über die Gefangennahme und Befreiung des Petrus berichtet, die die ganze Nacht umfasst. Die Kraft des unablässigen Gebets der Kirche steigt zu Gott auf, und der Herr erhört es und vollbringt eine undenkbare und unerwartete Befreiung, indem er seinen Engel sendet. Der Bericht ruft die großen Elemente der Befreiung Israels aus der Knechtschaft Ägyptens in Erinnerung, das jüdische Pascha. Wie bei jenem grundlegenden Ereignis wird auch hier die wichtigste Tat vom Engel des Herrn vollbracht, der Petrus befreit. Und das Handeln des Apostels – der aufgefordert wird, schnell aufzustehen und die Hüften zu gürten – zeichnet das des auserwählten Volkes in der Nacht der Befreiung durch das Eingreifen Gottes nach, als es aufgefordert wurde, das Lamm hastig zu essen, mit den Hüften gegürtet, Schuhe an den Füßen, den Stab in der Hand, bereit, das Land zu verlassen (vgl. Ex 12,11). So kann Petrus sagen: »Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich der Hand des Herodes entrissen hat« (Apg 12,11). Der Engel ruft jedoch nicht nur jenen Engel der Befreiung Israels aus Ägypten ins Gedächtnis, sondern auch den Engel der Auferstehung Christi. Denn die Apostelgeschichte berichtet: »Plötzlich trat ein Engel des Herrn ein, und ein helles Licht strahlte in den Raum. Er stieß Petrus in die Seite, weckte ihn« (Apg 12,7). Das Licht, das den Raum des Gefängnisses erfüllt, und auch das Wecken des Apostels verweisen auf das befreiende Licht des Pascha des Herrn, der die Finsternis der Nacht und des Bösen überwindet. »Wirf deinen Mantel um, und folge mir!« (Apg 12,8): Diese Aufforderung lässt schließlich die Worte Jesu bei der Berufung der ersten Jünger im Herzen wiederklingen (vgl. Mk 1,17). Er wird nach der Auferstehung am See von Tiberias wiederholt, wo der Herr gleich zweimal zu Petrus sagt: »Folge mir nach!« (Joh 21,19.22). Es ist ein dringender Aufruf zur Nachfolge: Nur wenn man aus sich selbst herauskommt, um sich mit dem Herrn auf den Weg zu machen und seinen Willen zu tun, lebt man die wahre Freiheit.

Fortsetzung folgt …

(Papst Benedikt XVI.  bei der Generalaudienz am 09. Mai 2012)